53 Zwei Seelen
Das unsichere Hin- und Her-Tapsen ließ die Sorge in ihm wachsen. Hatte sie jemanden, der sich um sie kümmerte? Für sie da war, wenn sie nicht weiterwusste? Ihr kalt war? Oder war sie schlussendlich genauso einsam wie er? Um das herauszufinden, müsste er vom Balkon zu ihr hinunter gehen. Dann würde er mitten im prasselnden Regen stehen. Doch seine Wohnung war ohnehin leer und er wünschte sich seit Langem, dass sie lebendiger werden würde. Bisher hatte er nur nicht gewusst, wie er es hätte umsetzen sollen. Und genau jetzt bot sich eine Möglichkeit.
Also stieß er sich vom Geländer, schritt fest entschlossen durch die kalten Räume seiner Wohnung. Schlüpfte im Flur in seine Schuhe, lehnte die Tür hinter sich nur an.
Auf dem Weg hinunter sprang ihm die Tageszeitung vor einer der Wohnungstüren ins Auge. Ohne darüber nachzudenken, nahm er sie mit. Vorsichtig schlüpfte er aus der Hoftür, schloss sie leise und pirschte sich Stück für Stück näher zur Katze. Blieb einige Schritte entfernt stehen. Beobachtete sie ganz genau, während er sich hinhockte. Ihr Fell war durchnässt, fleckig und wirkte ungepflegt. Ein Halsband war nicht zu entdecken. Seine Schuhe lösten sich schmatzend, als er sein Gewicht auf die Ballen verlagerte. Unsicher schaute er sie an. Was sollte er nur tun?
Da blickte die Kleine auf. Fixierte ihn mit ihren lilafarbenen Augen. Legte den Kopf für einen Augenblick schräg, bevor sie munter zu ihm tapste, als wäre nichts dabei. Zögernd hob er die Zeitung schützend über sie, weil er nicht wusste, ob er es durfte. Anstatt zurückzuschrecken, kam sie noch ein Stück näher, schien ihn kritisch zu beäugen.
Verunsichert hielt er die Luft an. Neugierig schnüffelte die Katze an seiner Hand, stupste sie mit der Nase einmal an, als müsste sie testen, ob sie nicht doch gleich angesprungen wurde. Dann schmiegte sie sich an ihn, schubberte ihr Gesicht gegen seine Handflächen. Schnurrte, als würde es kein Morgen geben.
Ab diesem Tag waren sie nicht mehr einsam, sondern zweisam.